Vom Fischen im Trüben: Die Verantwortung des Fischkonsums und die Zukunft der Ozeane

Juliane Aigner und Aykut Kayabas von ONE-Fairtrade

Autorin: Andrea Ramelow

Wir alle kennen den Genuss eines köstlichen Fischgerichts, sei es gegrillt, gedämpft oder gebraten. Doch hinter den glänzenden Tellern und bunten Fischmärkten liegt eine düstere Realität, die bei unserer Filmvorführung „Yaayboy - Vom Fischen im Trüben“ mit anschließender Diskussion thematisiert wurde. 

Am Anfang des Abends haben wir den Film “Yaayboy - Vom Fischen im Trüben“ (2012) gesehen. Der Film beschreibt die Situation des Fischereisektors im Senegal. Fischer (extra nicht gegendert), Fabrikarbeiter*innen und Händler*innen im Senegal leiden unter dem Auslaugen ihrer Fischgründe durch ausländische Industrieschiffe, die mit Zustimmung der senegalesischen Regierung wertvolle Fischbestände fangen. Dies hat negative Auswirkungen auf die Nahrungssicherheit und den Lebensunterhalt der Menschen im Senegal. Fischereiabkommen mit der EU ermöglichen legalisierte Massenfänge, tragen jedoch zur Armut und Perspektivlosigkeit der Fischerfamilien bei. Die schwierige Situation führt seit Jahrzenten dazu, dass viele junge Männer versuchen, in Europa ein besseres Leben zu finden, aber oft scheitern oder auf dem Weg ertrinken. Die Fischverarbeitung und der Handel leiden ebenfalls unter dieser Situation, was zu Fabrikschließungen und wirtschaftlicher Unsicherheit für Frauen führt, die traditionell für den Verkauf und die Konservierung des Fisches verantwortlich sind. 

Der Film ist für das komplexe und vielfältige Thema sehr kurz. Es werden viele Aspekte des Fischsektors thematisiert, aber ich versuche in diesem Text eine kurze Zusammenfassung zu geben und vor allem ein paar Tipps zu nennen, was wir als Konsument*innen tun können. 

Boubacar Dieme -Bildungsreferent aus Senegal- bestätigte, was wir im Film gesehen haben: Die Fischer finden kaum noch Fische. Die Ernährungssicherheit vor Ort hat sich seit der Veröffentlichung des Films im Jahr 2012 verschlechtert. Damals durften die Menschen auf die Straße gehen und protestieren. Heute ist das verboten. 

Herkunft, Fangmethode und Ersatzprodukte

Jens Amsdorf – CEO von The Lighthouse Foundation - begann mit einem Appell: “Wir sollten keine Fische mehr aus Senegal oder Westafrika importieren oder importieren lassen”. Die Herkunft und die Art und Weise, wie diese Fische gefangen werden, sind von entscheidender Bedeutung. Doch wie können wir unseren Bedarf an Omega-3 und Omega-6 decken, wenn wir auf Fisch verzichten? 

Peter Wiebe, Meeresbiologe, in den Bereichen Meeresschutz und Klimaschutz bei Ocean Summit tätig, wies darauf hin, dass Leinöl eine alternative Quelle für Omega-3 und Omega-6 sein kann. Ein einfacher Löffel Leinöl im Müsli jeden Tag kann ausreichen, um unseren Bedarf zu decken. 

Deutschland, Europa und die Verantwortung

Interessanterweise haben deutsche Trawler keine Präsenz vor der Westküste Afrikas, im Gegensatz zu Schiffen aus Spanien und Portugal. Dennoch hat Deutschland Abkommen unterzeichnet, um Fische aus diesem Gebiet zu importieren. Dieme ermutigte die Bürger*innen in Deutschland, mehr Druck auf die Politik auszuüben, um sicherzustellen, dass die Steuergelder, welche an den Senegal gezahlt werden, dort auch transparent und für das Gemeinwohl eingesetzt werden. 

In Mai 2023 fand ein Treffen zwischen afrikanischen Fischergemeinschaften und der EU im Europäischen Parlament statt, um zu besprechen, welche Änderungen in der EU-Politik zu ergreifen sind. Diese Änderungen sollten zu wirksamen Instrumenten einer EU-Afrika-Partnerschaft für die Entwicklung einer  ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Fischerei in Afrika werden. Als Zusammenfassung dieses Treffens lässt sich festhalten:

“Die Europäische Union muss glaubwürdig sein und zeigen, dass das Geld der EU-Steuerzahler zur Unterstützung der nachhaltigen Fischerei sinnvoll angelegt ist“ 

Apell von der “Coalition for Fair Fisheries Arrangement” (CFFA, 2023)

Dies  unterstreicht die Bedeutung von der SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen), das die Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und die Bekämpfung von Korruption betont. 

Das Protokoll des nachhaltigen Fischereipartnerschaftsabkommens (Sustainable Fisheries Partnership Agreement: SFPA) zwischen der Europäischen Union und Senegal läuft im November 2024 aus. Dieses Abkommen hat in den europäischen und senegalesischen Medien für großes Aufsehen gesorgt und es wird –hoffentlich- eine Gelegenheit sein, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Die EU muss die Aufnahme einer Transparenzklausel in das nächste Protokoll und deren wirksame Umsetzung fordern. Im Sinne der SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) ist die internationale Zusammenarbeit notwendig, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und Fischereiabkommen sollten im Einklang mit den SDGs stehen. 

Die Rolle der Frauen

Die Bosse – das sind im Grunde wir Frauen” so lautet ein Artikel über die Rolle der Frauen in dem Fischereisektor in Kenia, die eine sehr ähnliche Situation wie die Frauen in Senegal erleben. Fast die Hälfte der weltweit in der Fischerei Beschäftigten sind Frauen. Die Fischerei bleibt jedoch ein traditionell von Männern dominierter Sektor, in dem die Beiträge von Frauen stark abgewertet werden. Ein Bericht der Vereinten Nationen zur 'Wirtschaftlichen Stärkung von Frauen in der Fischerei', veröffentlicht im Jahr 2020, verdeutlicht, wie Frauen auch in politischen und entscheidungsrelevanten Prozessen unterrepräsentiert sind. Dies unterstreicht die Bedeutung der SDG 5 (Geschlechtergleichstellung) und 10 (Ungleichheit reduzieren), die auf die dringende Notwendigkeit hinweisen, Geschlechterungleichheit zu bekämpfen und die Teilhabe von Frauen an wirtschaftlichen Aktivitäten zu fördern. 

Obwohl Frauen eine wichtige Rolle im Sektor spielen, kommen sie im Film Yaayboy überhaupt nicht zu Wort. Wir sehen trotzdem, dass Frauen, deren Männer ausgewandert sind, Genossenschaften gründen, um gegen die großen Trawler anzutreten. Doch welche Rolle spielen diese Frauen-Genossenschaften bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage? Das kannst du im o.g. Artikel weiterlesen. 

Nachverfolgbarkeit und Aquakultur

Jens Amsdorf betonte die Bedeutung der "Traceability" oder Nachverfolgbarkeit von Fischen. Vor 20 Jahren existierte dies nicht, und während Fortschritte gemacht wurden, bleibt die Frage offen, ob sie ausreichen. 

Ist Aquakultur eine mögliche Lösung? Amsdorf ist skeptisch und wies darauf hin, dass selbst in Bio-zertifizierten Aquakulturunternehmen oft Antibiotika eingesetzt werden und die Fische immer noch in engen Käfigen gehalten werden. 

Was können wir als Konsument*innen tun?

Die Diskussion endete mit einer ernüchternden Erkenntnis: Dies ist ein äußerst komplexes Thema, und die einzige Lösung, die wir als Konsument*innen sofort umsetzen können, besteht darin, weniger Fisch zu essen. Wir sollten uns über die Herkunft des Fisches und die Fangmethoden informieren. Fisch sollte als Luxus betrachtet werden, den wir uns leisten können, aber nicht in rauen Mengen. 

Für uns in Deutschland mag das Verzichten auf Fisch einfach erscheinen, aber für die Menschen in Senegal ist er oft die einzige Proteinquelle. Aus Solidarität und im Sinne eines guten Lebens für alle sollten Bürger*innen in Deutschland auf den Konsum von Fisch aus Ländern des globalen Südens verzichten. 

Fazit

In einer Zeit, in der die Demokratie abnimmt und die Korruption in Senegal und weltweit zunimmt, stehen wir vor einer großen Herausforderung. Die Lösung liegt vielleicht nicht in der Suche nach einfachen Antworten, sondern in unserer Bereitschaft, unsere Konsumgewohnheiten zu überdenken und uns aktiv für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen.  

Die Veranstaltung ist Teil des SDG-Jahresthemenprogrammes „SDG in SH – Handlungsschwung gegen Umsetzungsträgheit: UN-Dekade des Handelns“ des Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI) in Kooperation mit dem Flensburger Schifffahrtsmuseum, Ocean Summit und Lighthouse Foundation und wird gefördert durch Engagement Global mit finanzieller Unterstützung des BMZ, BINGO! Die Umweltlotterie sowie dem Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED). 

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